LEMBERG - Kirchen. Kuchen. Kaiserjahre

Lemberg
Metropole des K.u.K.-Kronlandes Galizien und Lodomerien

Vor knapp 100 Jahren endete die Hoch- und Blütezeit der knapp 150 Jahre währenden Herrschaft der Habsburger im Osten Mitteleuropas. Deren effizientes Verwaltungssystem, ihre Selbstverpflichtung zur Bildungsförderung und die deutsche Sprache waren die Bindeglieder, die den Vielvölkerstaat zusammenhielten und deren Zeugnisse ein Jahrhundert nach seinem Untergang 1918 noch überall sichtbar sind.

Die Stadtbilder von Lemberg und Czernowitz, äußerste östliche Vorposten der Monarchie, sind heute noch geprägt von habsburgischer Architektur und deren städteplanerischen Prinzipien.

Neben der Politik der Habsburger war es das jüdische Element, dem der immense Aufschwung auf geistig-kultureller Ebene zu verdanken ist. Die Juden Galiziens und der Bukowina fühlten sich von den Metropolen magisch angezogen, weil sie die Chance erkannt hatten, hier, abseits ihrer ärmlichen Stetlwelt, Auskommen und -bildung und damit Anschluß an das Bürgertum der Wiener Monarchie zu finden.

Die großzügige und flächendeckende Errichtung von Bildungsanstalten diente der gesamten Bevölkerung. Mit der Gründung der deutschsprachigen Universität Czernowitz und der Wiedergründung der Lemberger Universität wurde die Grundlage geschaffen, auch den jüdischen Untertanen den akademischen Weg zu ebnen, was sich sehr bald durch den überproportional hohen Anteil der jüdischen Studenten, gemessen an der Bevölkerungszahl, nachweisen läßt.
Bei unserer Reise in die Westukraine war Czernowitz in der Bukowina das eigentliche Ziel. Lemberg wurde als Ausgangs- und Endpunkt gewählt, weil es dorthin eine komfortable Flugverbindung gibt und weil tägliche Verbindungen der Ukrainischen Staatsbahnen Spielraum für eine flexible Programmgestaltung im Hinblick auf die Fahrt nach Czernowitz.
Für Lemberg diente uns als Cicerone das Büchlein "Lemberg ... einfach köstlich, das von profunder Sachkenntnis zeugt, in Aufbau und Schwerpunktsetzung aber gewöhnungsbedürftig ist.

Damit und durch andere Quellen gut vorbereitet, wurden wir dann vor Ort überrascht, ja fast überwältigt von dem, was wir vorfanden: Eine österreichische Provinz- oder Landeshauptstadt, die einen Vergleich mit Linz, Graz oder Innsbruck nicht zu scheuen braucht. Wer hätte gedacht, daß nach einem Jahrhundert polnischer, sowjetischer und ukrainischer Hoheit Lemberg immer noch wirkt, als ob die Habsburger hier das Sagen hätten.
Bis auf das ausschließlich Кирилиця im Straßenbild. 



Daß es trotzdem signifikante Unterschiede gibt, die sich allerdings erst auf den zweiten Blick erschließen, soll nicht verschwiegen werden. Keinesfalls als Wertung, sondern als Feststellung: 
* Lemberg ist eine 'junge' Stadt ist in dem Sinn, daß der Anteil der jungen Menschen im Straßenbild auffällig 
* Trotz der feucht-kühlen Abende Ende September herrschte fröhliche, gesellige, ja ausgelassene Atmosphäre in den Straßencafés der Altstadt 
* Daß das Angebot an Gebrauchs- und erst recht an Luxusgütern vergleichsweise dürftig ist, verwundert nicht 
* Und daß die deutsche Sprache fehlt. Kein Wunder: 100 Jahre nach dem Ende der habsburgischen Monarchie.


Lemberg
auch Lwow, L'vov, Lviv.
In Galizien, Lodomerien, Wolhynien.
Jetzt in der Ukraine. Geprägt von ostslawischen Fürsten, Polen, Österreichern, Juden, Ruthenen, Armeniern, Italienern.

>>>> Kirchen <<<<
Das Stadtbild ist geprägt von den Kirchen des 16. und 17. Jahrhunderts.



St. Michael
1642



St. Andreas
1630


Lateinische Kathedrale
1405-1481 (1761–1776)


Maria Entschlafen-Kirche
1591-1629


St. Peter und Paul
1610-1630



>>>> Kuchen <<<<
Die Österreicher haben den Kaffee nach Lemberg gebracht. Und mit ihm die Caféhauskultur. Wer diese sucht, der sollte sich - so unglaublich das klingen mag - vor die Alternative gestellt sehen: Wien oder Lemberg !  Echt. Vielfältig. Schmackhaft. Feste für Auge und Gaumen.


Café Veronica

Café Praha

Café Swit Kawy
Schokoladen-Manufaktur


>>>> Kaiserjahre <<<<
Die Profanbauten der Altstadt spiegeln im Originalzustand und ohne neuzeitliche Bausünden die Zeit vom 16. Jahrhundert (rund um den Rynok) bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts mit deutlicher Dominanz der habsburgischen Jahre von 1772 bis 1918, vom Spätbarock über Klassizismus und Gründerzeit bis zum Jugendstil.


Rynok (Ostseite)

wul. T. Kostjuschka

Opernhaus

Rynok (Westseite)

Casino, wul. Hnatjuka

Prospekt Swobody

Universität

wul. Hnatjuka 20

Prospekt Swobody

wul. Serbska

Was soll ich noch sagen? Ich hoffe, daß ich mit diesem Kurzbericht und den Fotos unsere Begeisterung vermitteln konnte für die ehemalige Hauptstadt Galiziens, für dieses städtebauliche Kleinod, das seine Blütezeit den Habsburgern verdankt.
Daß Lemberg zu unserer großen Überraschung heute eine Symbiose darstellt zwischen dem äußeren Erscheinungsbild einer österreichischen Provinzstadt und einer quirligen, fröhlichen und weltoffenen Millionenstadt - und das im "finsteren Osten" - ,das war die erste Überraschung dieser Reise.
Dabei war Lemberg eigentlich nicht das vorrangige Ziel unserer Ukraine-Reise im September 2014. Das war das 270 km südöstlich gelegene Czernowitz, ehedem Hauptstadt der Bukowina und bis 1918 östlichster Vorposten des Habsburgerreiches.
Daß wir Lemberg als Ausgangspunkt gewählt und hier auch mehr Nächte als in Czernowitz zu verbringen geplant hatten, das hing mit vielem zusammen, nicht nur mit der Nonstop-Flugverbindung. Während unserer wenige Monate vorher durchgeführten, erinnerungswürdigen und begeisternden Reise durch Westgalizien hatten wir beschlossen, uns auch die andere Seite der polnisch-ukrainischen Grenze, Lemberg im ehemaligen Ostgalizien und Czernowitz in der Bukowina anzusehen.
Weil endlich politisch und touristisch der Weg frei war, ohne große Umstände zum Ziel meiner jahrelangen Träume zu kommen: nach Czernowitz.
Überrascht? Befremdet? Dann empfehle ich die Lektüre der beiden Posts "Czernowitz, jüdische Stadt deutscher Sprache" und "Czernowitzer Deutsch? Gab es das?"


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